Siggi Brehm feierte seinen 75.Geburtstag

Aus Kemmern auf die Fußball-Bühne: Siggi Brehm feiert seinen 75. Geburtstag

 
Siegfried Brehm hat es in den 1980ern als Schiri in die Bundesliga geschafft –  ohne jemals selbst in einer Mannschaft gespielt zu haben. Am heutigen Donnerstag feiert der frühere BSO seinen 75. Geburtstag. Hier blickt er auf seinen Lebensweg zurück, gewährt Einblicke in sein früheres Leben als Latein- und Religionslehrer und erklärt, warum Andreas Möller an seinem vorzeitigen Karriereende nicht unschuldig ist.
 
 
1965 trat Siegfried Brehm der Schiedsrichter-Vereinigung Bamberg bei und begann mit seiner steilen Karriere. Schon drei Jahre nach bestandener Prüfung als Unparteiischer leitete der geborene Kemmerner Spiele der Bezirksliga und schaffte 1972 den Aufstieg in die Bayernliga. Im bayerischen Fußball-Amateuroberhaus machte er durch überdurchschnittlich gute Leistungen auf sich aufmerksam. Am 15. August 1981 erfüllte sich sein Traum: Brehm wurde vom DFB in die Bundesliga berufen und leitete die Partie Eintracht Braunschweig – MSV Duisburg. Am Ende seiner Laufbahn hatte er 69 Erstliga-Spiele geleitet.
 
Siegfried Brehm leitete als Schiri 69 Spiele in der höchsten deutschen Liga! Rechts im Hintergrund der Bremer Thomas Schaaf.
 
Herr Brehm, erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Spiel?
Siegfried Brehm: Natürlich, da denke ich noch regelmäßig dran. Ein Reservenspiel, Dörfleins gegen Priegendorf. Ein älterer Spieler meinte, was ich junger Hüpfer denn hier wolle und was ich da zusammen pfeife. Da habe ich ihn gleich mit Rot abgeräumt. Nach nur 18 Minuten. In den Anfangsjahren war ich schnell mit der Hand an der Karte, auch aus Unsicherheit und Unerfahrenheit. Man bekommt dann einen Ruf, aber es hat gewirkt.
 
 
Der ehemalige Bundesliga-Schiri und langjährige Bezirksschiedsrichter-Obmann Siegfried Brehm feiert seinen 75. Geburtstag.
 
Hatten Sie fußballerische Vorbilder in der Familie?
Siegfried Brehm: Wir waren eine katholisch geprägte Familie, in der Fußball keine große Rolle gespielt hat. Mein Vater hatte damit nichts zu tun, mein Bruder ist immerhin zwischen erster und zweiter Mannschaft gependelt. Mir hat das Zuschauen Spaß gemacht, selbst gespielt habe ich aber nie und in all den Jahren auch keinen Spielerpass besessen. Irgendwann hatte mich  Richard Hofmann, der frühere Vorstand des SC Kemmern, gefragt, ob ich denn nicht pfeifen wolle. Ich habe lange gezögert, mich aber doch dafür entschieden. Als Schüler ein zusätzliches Taschengeld zu haben, war eine willkommene Sache. 15 D-Mark plus Fahrgeld gab es damals. Also habe ich 1965 die Schiedsrichter-Prüfung abgelegt.
 
 
 
Sie sind in den Folgejahren konstant von einer Liga in die nächste aufgestiegen. Waren Sie so gut?
Siegfried Brehm: Ich hatte damals sicher das Glück, mit 17 oder 18 zu den ganz wenigen jungen Schiedsrichtern zu zählen, heute ist das ja ganz anders. Der Schlechteste schien ich jedenfalls nicht gewesen zu sein, mit den Leistungen erarbeitet man sich bald einen Bekanntheitsgrad. Es ist dann einfach gelaufen. Nur war es irgendwann schwierig, das Studium und die Schiedsrichterei zu vereinen. Durch die Belastung habe ich einige Spiele in den Sand gesetzt und musste aus der Bayernliga absteigen, bin aber im Jahr darauf wieder aus der Landesliga hoch und habe es dann im Zwei-Jahres-Rhythmus bis in die Bundesliga geschafft.
 
Siggi Brehm (Mi.) im Einsatz für den DFB, gemeinsam mit seinen damaligen Assistenten Günther Reitzner (li.) und Siegfried Tabbert.
 
Dort haben Sie von 1981 bis 1989 gepfiffen. Von einem auf den anderen Tag war aber Schluss. Wie kam es dazu?
Siegfried Brehm: Ich war, das muss ich zugeben, ein lauffauler Schiedsrichter, der nicht immer auf Ballhöhe war und viele Entscheidungen aus relativ großer Distanz getroffen hat. Unser damaliger Obmann hatte einst gesagt, dass es ihm egal sei, ob der Brehm wenig läuft, solange er die Elfmeterentscheidungen auch aus 35 Metern Entfernung richtig trifft. Beim Spiel zwischen Schalke und Dortmund hatte ich ein Foul von Andreas Möller falsch bewertet, vielleicht, weil ich zu nah dran war – und habe ihm Rot gezeigt. Das war im Nachhinein eine sehr unglückliche Entscheidung und der Anfang vom Ende. Dazu kam ein weiterer Fehler in der Partie zwischen Bochum und Bremen. Entscheidungen, die bei den Offiziellen nicht gut ankamen. Mit zwei weiteren Schiedsrichtern war ich bei den Bewertungen punktgleich, entgegen der Praxis stieg aber nicht der Älteste ab, sondern ich. Das habe ich als grobe Ungerechtigkeit empfunden. Ich war traurig, verletzt und enttäuscht. Seitdem habe ich nie wieder ein Spiel gepfiffen.Warum das? In der Bayernliga, auf Bezirks- oder Kreisebene hätten Sie doch problemlos weiterpfeifen können.
Siegfried Brehm: Ein Bekannter, ehemals Fifa-Schiedsrichter, hatte mir von seinen Erfahrungen berichtet, wie fast alle seine Entscheidungen von den Zuschauern mit Verweis auf seine Vergangenheit angezweifelt wurden, nach dem Motto: „Und der will mal Bundesliga gepfiffen haben? Kein Wunder, dass der jetzt hier pfeifen muss.“ Für mich war das ein Zeichen, mit dem aktiven Pfeifen aufzuhören. Diesen Spießrutenlauf wollte ich mir ersparen. Wer einmal oben war, kann nur verlieren – und schafft es nicht mehr zurück. Ich halte es auch jetzt für richtig, konsequent aufgehört zu haben. Stattdessen habe ich mich ab 1990 fast 30 Jahre als Funktionär in den Dienst des  Schiedsrichterwesens gestellt. 20 Jahre war ich Bezirksschiedsrichterobmann und denke, einiges von dem zurückgegeben zu haben, was andere in den Jahren zuvor für mich getan haben.

Lassen Sie uns kurz auf das angesprochene Möller-Foul zurückkommen. Die TV-Bilder bestätigen Ihre heutige Vermutung: eher Gelb statt Rot. Hätten Sie sich damals einen Video-Assistant-Referee gewünscht?
Siegfried Brehm: Ich habe Entscheidungen grundsätzlich spontan getroffen, oft habe ich erst danach den Blickkontakt zum Assistenten gesucht, um mich zu vergewissern. In dieser Szene hätte mir ein Videoschiedsrichter vielleicht geholfen. Ich bin aber kein Freund dieser Hilfsmittel, zum Fußball gehört auch das Menschliche und die Fehlerhaftigkeit eines Schiedsrichters. Ich verstehe, dass der Fußball von heute ein ganz anderer ist und man versucht, Fehler so weit wie möglich zu reduzieren und Entscheidungen transparent zu machen. Vereine sind gigantische Wirtschaftsunternehmen, ein Elfmeter kann über viele Millionen Euro entscheiden. Andererseits macht es den Sport kaputt, wenn Szenen minutenlang überprüft werden, ob ein Spieler vielleicht mit drei Zehen im Abseits stand.

 
Lange Jahre war Siegfried Brehm als Bezirksschiedsrichter-Obmann tätig, hier spricht er in dieser Funktion 2015 bei der Weihnachtsfeier der Schiri-Gruppe Bamberg.
 
Schiedsrichter stehen wohl mehr denn je in der Öffentlichkeit, man denke nur an Felix Zwayer und die Morddrohungen. Mussten Sie ähnliche Erfahrungen machen?
Siegfried Brehm: Die Ausmaße sind inzwischen erschreckend, ich kann aber für mich sagen, davon weitgehend verschont geblieben zu sein. Nach einem Spiel zwischen dem 1. FC Köln und Eintracht Braunschweig gab es einige Drohbriefe an mich, seltsamerweise auch an die Gemeinde direkt. Ansonsten ist es ruhig geblieben, damit hatte ich zum Glück wenig Schwierigkeiten. Natürlich gab es auch den einen oder anderen Spielabbruch wie damals beim VfL Frohnlach in der A-Klasse, aber das gehört zum Schiedsrichterdasein eben dazu.Welche Spiele bleiben Ihnen besonders in Erinnerung?
Siegfried Brehm: Ich durfte im Zuge eines Austauschs zwischen deutschen und schweizerischen Schiedsrichtern die Partie von Young Boys Bern gegen Grasshoppers Zürich im Wankdorf-Stadion leiten, an jener Stelle, wo die deutsche Nationalmannschaft knapp 30 Jahre zuvor den Weltmeistertitel geholt hatte. Ein herausragender Moment. Oder mein erster Auslandseinsatz als Assistent von Volker Roth im georgischen Tiflis, als wir mit einer Polizeieskorte durch die Stadt und Einbahnstraßen hindurch gefahren wurden. Man hat sich kurz wie ein Staatspräsident gefühlt.

Sind in dieser Zeit auch Freundschaften zu Spielern oder Trainern entstanden?
Siegfried Brehm: Das Kollegiale und Kumpelhafte, wie es heute praktiziert wird, war ja damals nicht üblich. Ich bin immer sehr distanziert geblieben, auch zu den Trainern. Sie haben mich respektiert und umgekehrt.  Freundschaften gibt es aus dieser Zeit nicht. Die Distanz war damals der richtige Weg, durch zu viel Nähe kann man schnell in die Bredouille geraten.

Ihr komplettes Berufsleben, 34 Jahre, haben Sie als Gymnasiallehrer für Latein und katholische Religion im unterfränkischen Elsenfeld verbracht.  Wie oft waren Ihre Leistungen Thema im Klassenraum?
Siegfried Brehm: Am Montag nach einem Spieltag haben die Schüler natürlich darüber geredet und wussten Bescheid, welche Note mir der Kicker oder die Bild-Zeitung gegeben haben. So manche Schulstunde haben wir schon diskutiert – aber den Stoff danach wieder aufgeholt. Kurios war: Normalerweise sind bei Elternsprechtagen rund 90 Prozent Mütter anwesend, bei mir waren es aber vergleichsweise viele Väter. Die haben sich oft aber nicht für den Leistungsstand ihres Kindes interessiert, sondern hatten irgendwelche Fragen zum Fußball. Das ist ja eigentlich nicht der Sinn eines Elternsprechtags. Grundsätzlich hatte ich in der Schule aber keinerlei Probleme aufgrund meiner Schiedsrichter-Tätigkeit. Das liegt vielleicht auch an Elsenfeld, einem  gemütlichen Dorf im Spessart. Dass ich dort mein ganzes Berufsleben verbringen würde, hätte ich anfangs nicht gedacht. Dort habe ich aber mein Glück gefunden, wenngleich Kemmern immer Heimat war und ist.

Sie sind gläubiger Katholik und seit dem Ruhestand auch Kirchenpfleger in Kemmern. Welche Rolle hat der Glauben damals auf dem Platz gespielt?
Siegfried Brehm: Um ehrlich zu sein: keine sehr große. Ich bin zwar gläubiger Katholik und lebe dementsprechend, einen Rosenkranz hatte ich  bei den Spielen aber nicht einstecken, der ist im Auto geblieben. Solche Rituale können einem Sicherheit verleihen, ich habe aber ganz meiner natürlichen Zuversicht vertraut.

Die katholische Kirche steckt aktuell in der Krise: Missbrauchsvertuschen, massenhaftes Austreten. Was macht das mit Ihnen?
Siegfried Brehm: Was an Verfehlungen in der Kirche passiert ist, ist schrecklich, es muss aufgearbeitet sowie die Täter abgeurteilt werden. Meinen persönlichen Glaube trenne ich aber von den Fehlern, die Vertreter der Kirche begehen. Der Glaube hat mich sehr stark geprägt und mir viel   Unterstützung im Leben gegeben. Er ist ein essenzieller Bestandteil, der wie Essen, Trinken und Schlafen dazugehört. Das wird er auch in der Zukunft bleiben.

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